Geld zurück für Shopbetreiber– Boomerang für Abmahner

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 10. Juli 2019 in der Sache C‑649/17 die bisherige Praxis zu Pflichtinhalten bei Onlineshops erschüttert: Die seit Inkrafttreten der EU-Verbraucherrechterichtlinie angenommene Pflicht zur Angabe einer Telefonnummer in Onlineshops, besteht nicht.

von Rechtsanwalt Dr. Matthias Böse

Geld zurück für Shopbetreiber!

Das wirkt sich nicht nur auf die Gestaltung von Widerrufsbelehrungen ab sofort aus, sondern erfordert auch in schon abgeschlossene Streitigkeiten Aufmerksamkeit. Viele Marktteilnehmer, insbesondere aber eher "windige" Abmahnvereine haben seit 2014 viel Geld damit verdient, diesen einfachen aber häufig zu findenden Verstoß auch eine Telefonnummer vorzuhalten, abzumahnen. Die Gerichte haben reihenweise solche Begehren durchgewunken, sodass viele Abmahnkosten, Vertragsstrafen, Prozesskosten und auch Ordnungsgelder gezahlt wurden.

Solche Streitigkeiten können nach dem Urteil des europäischen Gerichtshofs nun mit guten Erfolgsaussichten und vor allem umgekehrten Vorzeichen erneut in Angriff genommen und negative Folgen rückabgewickelt werden. Denn: Nicht mehr zwingend in der Widerrufsbelehrung vorgehalten werden müssen:

 

  • eine Telefonnummer
  • eine Faxnummer oder
  • eine E-Mail-Adresse,

soweit ein Kommunikationsweg besteht, mit dem der Verbraucher schnell in Kontakt zum Unternehmer treten und effizient mit ihm zu kommunizieren kann.

Im Fall einer außergerichtlichen Erledigung, insbesondere durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung von Abmahnkosten, aber auch bei bereits gezahlten Vertragsstrafen nach einer abgegebenen Unterlassungserklärung, ist das recht einfach. Insoweit bestehen Rückforderungsansprüche, deren Verjährungsfrist bislang nicht zu laufen begonnen hatte, weil der Verkehr nicht damit rechnen musste, dass die Vorgaben des deutschen Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Widerrufsbelehrung sich als europarechtswidrig und damit unwirksam herausstellen.

Kein Verjährungsproblem

Kein Problem gibt es mit der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt erst zu laufen, wenn ein Gläubiger von sämtlichen anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt – und das ist nicht der Fall, wenn er nur deshalb nicht von einem Anspruch ausgeht, weil es gefestigte Rechtsprechung gibt, die seinem Anspruch entgegenstünde und die sich später als unzutreffend herausgestellt. So liegt der Fall hier, sodass die geleisteten Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) zurückverlangt werden können.


Dennoch raten wir zu Eile: Es ist in der Rechtsprechung bis heute umstritten, ob auf einen Rückforderungsanspruch nicht möglicherweise eine kürzere Verjährungsfrist anwendbar ist, weil es sich um Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht handelt, die einer Verjährung von lediglich sechs Monaten unterliegen. Auch hier kann allerdings, wenn man schnell handelt, ein Verjährungseintritt in den meisten Fällen noch verhindert werden.

Doch auch wenn bereits ein Urteil in der Welt ist, steht ein breites und effektives Instrumentarium zur Verfügung, um eingetretene Schäden jedenfalls nachträglich wieder auszugleichen.

Was man tun kann - oder besser: tun sollte

Insoweit kommen eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO (hierzu BGH, Urt. v. 14.03.2008, V ZR 16/07, NJW 2008, 1446) ebenso in Betracht wie eine auf wiederum ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe des damals erwirkten Titels.

Auch hier gilt: Das Recht hilft den Hellen und den Schnellen. Wer kein Interesse an der grundsätzlichen Klärung komplizierter Rechtsfragen im wettbewerbsrechtlichen Verjährungsbereich hat, spart sich viel Zeit und Geld, wenn er schnell vorgeht.


Und was soll man tun, wenn man selbst entsprechende Ansprüche gegen Dritte durchgesetzt hat? Da bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man drückt sich selbst kräftig die Daumen und setzt darauf, dass der Schuldner den alten Streit längst vergessen hat – oder man wird proaktiv tätig und gibt Titel oder Unterlassungsverträge von sich aus heraus. Welches Vorgehen im Einzelfall das wirtschaftlich sinnvollste ist, muss individuell beurteilt werden.

Hierbei, aber insbesondere auch bei der Rückforderung geleisteter Zahlungen, helfen wir Ihnen gern weiter. Nähere Informationen finden Sie unter www.franz.de.