Agenturverträge agil abwickeln mit dem Kammergericht

Das Kammergericht zeigt, dass bei Agenturverträgen schon aus rechtlichen Gründen ein iteratives, agiles Vorgehen bei der Vertragsabwicklung geboten ist.

Wer ein solches Modell daher nicht schon wegen der auf der Hand liegenden betriebswirtschaftlichen und projektorganisatorischen Vorteile umsetzt, sollte das spätestens jetzt tun. Es sichert aus Auftraggebersicht ein zufriedenstellendes Ergebnis zu kalkulierbaren Kosten und erspart auf Agenturseite unangenehme Diskussionen um Nachbessserungen, Nachträge und Budgetkürzungen.

Die Entscheidung im Volltext:

KG Berlin, Urteil vom 19.3.2019, 21 U 80/18

 

 

 

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieses und fortan auch das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die restliche Vergütung für die Gestaltung eines Corporate Designs und einer Webseite sowie für die Produktion eines Imagevideos.

Die Klägerin betreibt eine Werbe- und Kommunikationsagentur, die Beklagte vermietet unter der Bezeichnung “b...” Yachten auf Mallorca bzw. plante im Jahr 2015 die Aufnahme einer solchen Tätigkeit.

Auf Anfrage der Beklagten unterbreitete ihr die Klägerin unter dem 8. September 2015 ein Angebot für die Erstellung eines Corporate Designs und einer Webseite gegen eine Vergütung von 24.100,- € (Anlage K 1, im Folgenden Angebot 1). Unter dem 25. September 2015 bot die Klägerin der Beklagten die Produktion eines Imagevideos an, das auf die Webseite eingestellt werden kann (Anlage K 2, im Folgenden Angebot 2). Das Angebot 2 umfasste ein näher detailliertes Leistungsverzeichnis, das u.a. die Organisation und Koordination der Dreharbeiten auf Mallorca und Tagessätze für die teilnehmenden Personen - Fotograf, Kameramann, Assistenz, Models etc. - vorsah. Die Gesamtvergütung der Klägerin nach dem Angebot 2 belief sich auf rund 23.000,- € zuzüglich Reisekosten, Spesen und sonstiger nicht bezifferter Positionen.

In der Folgezeit erbrachte die Klägerin diverse Leistungen für die Beklagte nach Maßgabe dieser Angebote. So führte sie u.a. einen “Markenworkshop” durch, gestaltete ein Corporate Design, ließ Visitenkarten und eine Messewand herstellen und führte im Oktober 2015 einen zweitägigen Drehtermin auf Mallorca durch. Für diesen Termin reisten neben der Produktionsleitung der Klägerin insbesondere ein Kameramann, ein Fotograf und diverse weibliche und männliche Models nach Mallorca. Dort traf das Filmteam auf die Geschäftsführerin der Beklagten und den ebenfalls für die Beklagten auftretenden Herrn F... . Die Beklagte konnte der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt nur eine Motoryacht für Dreharbeiten zur Verfügung stellen. Weitere Boote, die sie bestellt hatte, waren noch nicht an sie ausgeliefert. Im Verlauf von zwei Tagen drehte das Filmteam Videosequenzen an Bord der Yacht und am Ufer, auf denen das Boot und die Models zu sehen waren. Die Dreharbeiten wurden einvernehmlich beendet. Aus dem Videomaterial ließ die Klägerin ein Video schneiden, das sie sodann der Beklagten zukommen ließ.

Die Beklagte war nicht bereit, dieses Video als vertragsgemäß zu akzeptieren. In einer Mail vom 6. Dezember 2015 monierte Herr F... insbesondere, dass “Innenbilder von allen Kabinen aus verschiedenen Perspektiven” fehlten, (...) die die Dimensionen der Kabinen zum Ausdruck bringen, die Designelemente darstellen und dieses in Kombination mit Personen”. Bei den in dem Video gezeigten Personen werde der Bezug zu “den Yachten von b... ” nicht deutlich (vgl. Anlage B 1).

Die Klägerin hat der Beklagten diverse Rechnungen für ihre Leistungen gestellt, die bis auf einen Teilbetrag von 29.551,57 € bezahlt sind.

Die Klägerin ist der Ansicht, gemäß ihren Angeboten 1 und 2 von der Beklagten beauftragt worden zu sein und die beauftragten Leistungen, insbesondere auch das Imagevideo, vertragsgemäß erbracht zu haben.

Nach vorangegangenem Mahnverfahren hat sie die Beklagte vor dem Landgericht Berlin Klage auf Zahlung einer restlichen Vergütung von 29.551,57 € verklagt. Die Beklagte rügt die internationale Zuständigkeit dieses Gerichts und zweifelt an der Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf ihre Vertragsbeziehung zur Klägerin. Zudem hält sie das von der Klägerin erstellte Video nicht für vertragsgemäß, sodass sie jedenfalls aus diesem Grund zu keiner weiteren Zahlung verpflichtet sei.

Das Landgericht hat über Äußerungen der Geschäftsführerin der Beklagten und von Herrn F... im Rahmen der Dreharbeiten Beweis erhoben. Wegen des Beweisthemas wird auf den Beweisbeschluss des Landgerichts vom 10. November 2017 verwiesen. Das Landgericht hat mehrere Zeugen vernommen, allerdings weder die Geschäftsführerin der Beklagten noch Herrn F.., die von der Beklagten ebenfalls zum Beweis der insoweit streitigen Tatsachen benannt worden sind. Beide Parteivertreter hatten bis zum Beweistermin Herrn F... irrtümlich als Geschäftsführer der Beklagten und ihre tatsächliche Geschäftsführerin, Frau M..., als Zeugin bezeichnet. Aus diesem Grund hatte das Landgericht zu dem Termin nur Frau M... als Zeugin geladen, die dann aber - angeblich wegen Krankheit - nicht erschienen ist. Nachdem das Landgericht zwischenzeitlich Einsicht in das luxemburgische Handelsregister genommen und den Beklagtenvertreter auf die Verwechslung hingewiesen hatte, hat dieser mit Schriftsatz vom 16. April 2018 klargestellt, einem Missverständnis unterlegen zu sein und nunmehr Herrn F... als Zeugen und die Vernehmung von M... als Partei beantragt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Terminsprotokoll vom 26. März 2018 verwiesen.

Mit Urteil vom 11. Mai 2018 hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Darin hat es seine internationale Zuständigkeit und die Anwendbarkeit des deutschen Rechts angenommen. In der Sache hat es die Klage nach Würdigung der Beweisaufnahme als begründet angesehen. Den ergänzenden Vortrag der Beklagten in dem erwähnten Schriftsatz vom 16. April 2018 und den Beweisantritt mit dem Zeugen F... und der Vernehmung der Geschäftsführerin hat das Landgericht als präkludiert zurückgewiesen. Die Beklagte habe sich grob nachlässig verhalten, indem sie die Zeugen- bzw. Geschäftsführerstellung von Herrn F... und Frau M... verwechselt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung und des Parteivorbringens wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Zur Begründung des Rechtsmittels bezieht sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und tritt der vom Landgericht angenommenen Präklusion ihrer Beweisantritte entgegen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verteidigt sie das Urteil des Landgerichts und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

II.

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht gemäß dem Klageantrag verurteilt.

1. Die Klage ist zulässig.

a) Die Landgericht Berlin ist für den Rechtsstreit gemäß Art. 7 Nr. 1 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (im Folgenden: Brüssel Ia - VO) international zuständig.

aa) Diese Verordnung ist einschlägig, da die Klägerin ihren Sitz in Berlin und die Beklagte in Luxemburg hat.

bb) Damit sind die deutschen Gericht für den vorliegenden Rechtsstreit zuständig, da der Erfüllungsort für die Leistungen der Klägerin in Berlin liegt (Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel Ia-VO).

Die Rechtsbeziehung zwischen den Parteien, die unstreitig auf Grundlage der beiden Angebote der Klägerin (Anlage K 1 und 2) zustande gekommen ist, ist als einheitliches Vertragsverhältnis zu verstehen, da sämtliche Leistungen in engem inhaltlichen Zusammenhang stehen und Kommunikationsleistungen der Klägerin für das Unternehmen der Beklagten betreffen. Unabhängig von der Beurteilung nach deutschem Recht handelt es sich hierbei um einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Art. 7 Nr. 1 b) Brüssel Ia - VO. Für sämtliche Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag ist somit das Gericht international zuständig, in dessen Gerichtsbezirk sich der Ort der hauptsächlichen Leistungserbringung befindet (EuGH, Urteil vom 11. März 2010, C 19/09; Geimer in: Zöller, ZPO, Kommentar, 32. Auflage, 2018, Art. 7 EuGVVO, Rz. 15 m.w.N.). Das ist Berlin, weil die Klägerin an ihrem hier gelegenen Sitz die als Erfolg geschuldeten Leistungen fertigzustellen hatte. Wenn für das Video zuvor Dreharbeiten auf Mallorca durchzuführen waren, wird die spanische Insel damit nicht zum Erfüllungsort des Vertrages. Der Dreh war lediglich eine Vorarbeit für den geschuldeten Werkerfolg in Form des Videos, außerdem macht die Vergütung der Klägerin, die auf ihn entfällt, einen geringeren Teil an der Gesamtvergütung aus, als die Vergütung für ihre sonstigen Leistungen, die sie im Zweifel an ihrem Sitz in Berlin zu erbringen hatte.

b) Die innerdeutsche örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Berlin kann in der Berufungsinstanz nicht mehr angegriffen werden (§ 513 Abs. 2 ZPO). Zudem ergibt sie sich, selbst wenn sie bei isolierter Anwendung von § 29 ZPO nicht gegeben wäre, jedenfalls dann aus einer europarechtskonformen Auslegung dieser Norm, wenn die internationale Zuständigkeit des angerufenen deutschen Gerichts - wie hier - durch den Gerichtsstand des Erfüllungsorts in Art. 7 Nr. 1 Brüssel Ia-VO begründet ist.

2. Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet.

a) Die Klägerin hat einen Zahlungsanspruch in Höhe von 29.551,57 € gegen die Beklagte aus § 631 Abs. 1 BGB.

aa) Das streitgegenständliche einheitliche Vertragsverhältnis zwischen den Parteien auf Grundlage der Angebote 1 und 2 (Anlage K 1 und 2) durch die Beklagte unterliegt dem deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 b) der Verordnung (EG) Nr. 593/2008, im Folgenden: Rom I-VO). Diese Verordnung ist auf den Vertrag anzuwenden, da die Klägerin ihren Sitz in Deutschland, die Beklagte in Luxemburg hat. Da es sich bei dem Vertrag um einen Dienstleistungsvertrag handelt, unterliegt er mangels einer anderslautenden Vereinbarung dem Recht am Sitz des Dienstleisters, also der Klägerin, mithin dem deutschen Recht (Art. 4 Abs. 1 b) Rom I-VO).

bb) Auf den Vertrag ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2017 geltenden Fassung anzuwenden, Art. 229 § 39 EGBGB.

cc) Es handelt sich bei ihm um einen Werkvertrag, da bei der Leistung der Klägerin die Erreichung bestimmter Erfolge - insbesondere die Erstellung eines näher definierten Corporate Designs, von Logos, Flyern, einer Webseite und einem Video - im Vordergrund stehen.

dd) Der aus dem Werkvertrag resultierende Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist fällig (§ 641 Abs. 1 S 1 BGB). Zwar hat die Beklagte die Werkleistung der Klägerin nicht abgenommen, sie ist aber vertragsgemäß, sodass sich die Beklagte auf die fehlende Abnahme nicht berufen kann.

Es kommt in diesem Zusammenhang nur noch auf die Beurteilung des Imagevideos an, die Abnahmereife der übrigen Leistungen der Klägerin ist unstreitig. Hinsichtlich des Videos folgt die Abnahmereife bereits aus dem unstreitigen Parteivorbringen. Somit kommt es nicht auf die Beweiswürdigung des Landgerichts oder die Frage an, ob das Landgericht die Präklusionsvorschriften in zutreffender Form gegen die Beklagte angewendet hat.

Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

(1) Die Leistung eines Werkunternehmers kann entscheidend durch die Gestaltung des Werks geprägt sein, etwa wenn eine Architektur, ein Design oder eine ähnliche künstlerische Leistung zum Auftrag des Unternehmers gehört.

(a) Bei einem solchen gestalterischen Werk ist das genaue Leistungssoll bei Vertragsschluss oftmals noch in vielen Punkten unbestimmt. Dem Besteller kommt es gerade auf die Ideen und ihre Umsetzung durch den Unternehmer an. Bei Vertragsschluss hat dieser Gestaltungsprozess häufig noch gar nicht begonnen oder ist - im Falle von vorhergehenden sog. Akquiseleistungen - jedenfalls noch nicht abgeschlossen.

Diese Unbestimmtheit des Leistungssolls ist das Charakteristikum eines Werkvertrags über eine gestalterische Werkleistung und steht der Annahme eines wirksamen Vertrages grundsätzlich nicht entgegen. Vielmehr ist im Regelfall anzunehmen, dass eine Vertragspartei berechtigt ist, das Leistungssoll im Verlauf der Vertragsdurchführung durch die Ausübung eines Leistungsbestimmungsrechts zu konkretisieren (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. April 2015, VII ZR 131/13, BGHZ 205, 107).

In welcher Form dies zu geschehen hat, richtet sich nach dem Vertrag. Enthält dieser keine ausdrückliche Regelungen, ist das von den Parteien Gewollte durch Auslegung zu ermitteln (BGH, Urteil vom 23. April 2015, VII ZR 131/13, BGHZ 205, 107, Rz. 39). Dabei sind vor allem die Interessen der Parteien, soweit sie für die jeweilige Gegenseite erkennbar sind, und die erkennbaren Ziele bedeutsam, die der Besteller mit der beauftragten Werkleistung verfolgt. Anhand der vertraglichen Vereinbarung ist dabei insbesondere zu klären, in welchen Punkten die Leistung des Unternehmers bestimmungsbedürftig ist und welcher Partei die Ausübung des Bestimmungsrechts zufällt. Dabei kann sich ergeben, dass die Leistungen des Unternehmers gemäß dem Fortschritt seiner Arbeit mehrfach und schrittweise zu konkretisieren ist.

(b) Hinsichtlich der Auswahl der bestimmungsberechtigten Vertragspartei gilt: Aus dem Umstand, dass der Besteller ein gestalterisches oder sogar künstlerisches Werk in Auftrag gegeben hat, kann sich im Einzelfall ein Gestaltungsspielraum für den Unternehmer ergeben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 14. November 2018, 11 U 71/18). Zugleich verfolgt der Besteller mit der beauftragten Werkleistung aber bestimmte Ziele, sodass er grundsätzlich berechtigt sein muss, dem Unternehmer bei der Konkretisierung des Werkerfolgs Vorgaben zu machen, je nachdem, wie aus seiner Sicht diese Ziele am besten erreicht werden können.

(c) Wenn und soweit die Vertragsauslegung ergibt, dass dem Besteller ein Leistungsbestimmungsrecht zufällt, so stellt die Ausübung dieses Rechts durch den Besteller seine Mitwirkungsobliegenheit dar (vgl. Retzlaff in: Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage, 2018, § 642 BGB, Rz. 21).

(d) Generell kann die berechtigte Partei ihr Leistungsbestimmungsrecht ausdrücklich oder konkludent ausüben, wobei eine konkludente Ausübung aber nur dann anzunehmen ist, wenn das Verhalten der Vertragspartei aus Sicht eines objektiven Beobachters entsprechend auszulegen ist.

(e) Hat eine Vertragspartei ein ihr zufallendes Leistungsbestimmungsrecht ausgeübt, wird das Leistungssoll des Werkvertrags hierdurch konkretisiert. In dem nunmehr bestimmten Punkt ist das Werk des Unternehmers folglich vertragsgerecht, wenn es sich an die Vorgaben der ausgeübten Leistungsbestimmung hält. Deshalb darf der Besteller die Abnahme einer Werkleistung, die die wirksam ausgeübte Leistungsbestimmung umsetzt, nicht aus diesem Grund ablehnen. Das gilt auch dann, wenn sich die Leistungsbestimmung noch nicht auf einen abnahmefähigen Teil der Werkleistung, sondern auf eine Vor- oder Zwischenstufe bezieht, also lediglich eine Weichenstellung oder Vorfestlegung für die nachfolgenden Schritte des Werkprozesses darstellt.

(2) Aus diesen Grundsätzen folgt für den vorliegenden Fall:

(a) Die Entscheidung über den konkreten Inhalt des von der Klägerin herzustellenden Videos, also insbesondere das Bildmaterial sowie die Dauer und Zusammenstellung der einzelnen Videosequenzen, unterlag der Bestimmung durch die Beklagte. Die Beklagte verfolgte mit dem Video eigene Werbezwecke; dies war der Grund für die Beauftragung der Klägerin. Deshalb muss grundsätzlich auch die Beklagte entscheiden dürfen, welche (visuellen) Informationen und Eindrücke dem Zuschauer vermittelt werden sollen. Daher oblag es zum Beispiel der Entscheidung der Klägerin, welche Yachten in welcher Perspektive gezeigt werden, ob und welche Innenaufnahmen eingeblendet werden, ob in einer bestimmten Einstellung Models auftreten usf.

Zugleich sah der Vertrag vor, dass das für das Video erforderliche Film- und Bildmaterial bei einem einzigen Drehtermin (“Shooting”) von zwei Tagen Dauer auf Mallorca erstellt wird (vgl. das Angebot 2, Anlage K 2). Die Beschränkung auf einen einzigen Termin für die “Materialsammlung” ist auch angemessen, da hierfür ein aus ca. zehn Personen bestehendes Team nach Mallorca reisen muss, während es um ein Video von nur wenigen Minuten Dauer ging. Mit dem Ende dieses Shootings war das Video noch nicht abgeschlossen, da das Bildmaterial noch geschnitten und nachbearbeitet werden musste.

(b) Aus diesem übereinstimmend geplanten Ablauf folgt: Wenn die Beklagte berechtigt war vorzugeben, welche Videosequenzen gedreht und für das Video verwendet werden sollen, dann musste sie dies auf eine Weise tun, die es der Klägerin erlaubt, die Dreharbeiten im Rahmen des vorgesehenen einzigen Termins auf Mallorca abzuschließen.

Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte durchgängig die Möglichkeit, mit mindestens einem Vertreter - ihrer Geschäftsführerin M... bzw. Herrn F... - bei den Dreharbeiten zugegen zu sein. Die Klägerin durfte deshalb erwarten, dass die Beklagte durch diese Personen ihr Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der zu filmenden Videosequenzen bis zum Abschluss des Drehtermins ausübt. Damit oblag es der Beklagten, bestimmte Wünsche für das Videomaterial zeitlich so mitzuteilen, dass die Klägerin ihnen bis zum Ende des Termins nachkommen konnte. Wenn die Dreharbeiten in Anwesenheit von Vertretern der Beklagten zu Ende gehen, ohne dass noch bestimmte von ihnen geäußerte Aufnahmewünsche offen waren, durfte die Klägerin folglich davon ausgehen, die Sammlung des Filmmaterials im Sinne der Beklagten abgeschlossen zu haben. Die Beklagte hat dann ihr Leistungsbestimmungsrecht hinsichtlich der Materialsammlung wenn nicht durch ausdrückliche Billigung, dann zumindest konkludent in diesem Sinne ausgeübt.

(c) Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Es ist unerheblich, ob Herr F... oder die Geschäftsführerin der Beklagten im Verlauf des Drehs angeblich Zweifel an den Aufnahmen und der Kameraeinstellung geäußert haben (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 6. Juni 2018). Maßgeblich ist, dass sie zum Abschluss der Dreharbeiten unstreitig keine Einwände gegen die Sichtweise der Klägerin vorbrachten, das Videomaterial nunmehr vollständig “im Kasten” zu haben, und keine weiteren Bilder mehr einforderten, die aus ihrer Sicht noch fehlten. Dazu hätte für die Beklagte umso mehr Anlass bestanden, als die Klägerin ihr sogar eine Shotliste übergeben hatte, aus der die geplanten Aufnahmen im Einzelnen ersichtlich waren und die sodann auch umgesetzt worden ist. Zudem war es offenbar die Klägerin, die darauf drängte, die Dreharbeiten nicht zu früh abzubrechen, wie sich aus ihrer Mail vom 9. Dezember 2015 ergibt, die von der Beklagten selbst vorgelegt wird (Anlage B 2). Damit durfte die Klägerin zu Recht davon ausgehen, dass die Beklagte das am Ende des Drehs zusammengetragene Videomaterial als ausreichende Grundlage für den noch fertigzustellenden Film ansieht.

(d) Durch diese Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts hat die Beklagte die Werkleistung der Klägerin keineswegs insgesamt abgenommen. Sie hat lediglich eine Vor- oder Zwischenstufe des Werks als vertragsgemäß gebilligt, wobei die Wirkung der Leistungsbestimmung hier zugleich auch im Sinne einer Zwischenabnahme verstanden werden kann (orientiert man sich an der Terminologie in §§ 300 ff ZPO ist die Rede von “Zwischenstufe” und “Zwischen”abnahme hier treffender als die von “Teilleistung” und “Teil”abnahme).

Durch diese Ausübung des sich auf die Zwischenstufe “Materialsammlung” beziehenden Leistungsbestimmungsrechts ist die Werkleistung der Klägerin - das fertiggestellte Video - keineswegs bereits insgesamt abgenommen. Vielmehr war die Beklagte auch nach Abschluss der Dreharbeiten berechtigt, im Sinne eines Leistungsbestimmungsrechts auf der nächsten Produktionsstufe Einfluss auf dieses Endergebnis zu nehmen. Wenn es für die Beklagte zum Beispiel von Bedeutung gewesen wäre, dass das Video umfangreiche und detaillierte Aufnahmen der Kabinen zeigt, dann setzt dies zunächst voraus, dass sie dies der Klägerin im Zuge des Termins auf Mallorca mitteilt, damit entsprechende Sequenzen gedreht werden. Wenn die Klägerin diese Bilder im fertigen Video nicht im gewünschten Umfang oder nicht an der gewünschten Stelle oder vielleicht mit einer nicht als passend empfundenen musikalischen Untermalung verwertet hätte, dann wäre die Beklagte weiterhin berechtigt gewesen, hier auf Abhilfe zu dringen und die Abnahme zu verweigern. Durch die abschließende Ausübung ihres Leistungsbestimmungsrechts auf der Vorstufe der Materialsammlung hat sie diese Befugnis auf der folgenden Stufe der Materialverarbeitung nicht verloren. Dass insoweit ein nicht zur Disposition der Beklagten stehender künstlerischer Gestaltungsspielraum der Klägerin betroffen wäre (vgl. hierzu OLG Köln, Urteil vom 14. November 2018, 11 U 71/18), ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

(e) Daneben ist es grundsätzlich denkbar, dass der Besteller die Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechts auf einer Vorstufe des Werkprozesses später wieder revidiert. Im vorliegenden Fall könnte dies zum Beispiel bedeuten, dass die Beklagte nach Abschluss des Shootings auf Mallorca und (konkludenter) Billigung des gedrehten Materials als ausreichend, nachträglich doch noch weitere Aufnahmen gewünscht hätte, die andere Motive zeigen, etwa andere Boote oder nur die Boote ohne Models etc. Da das Leistungssoll des Vertrags dann aber bereits im Sinne der getroffenen Bestimmung fixiert ist, kann der Besteller dies nur dann wieder ändern, wenn ihm entweder nach dem Vertrag ein entsprechendes einseitiges Leistungsänderungsrecht eingeräumt ist oder sich der Unternehmer hierauf einlässt, wozu dieser oftmals nur gegen Zahlung einer zusätzlichen Vergütung bereit ist. Handelt es sich bei dem gestalterischen Werkvertrag um einen Architektenvertrag, der der HOAI unterfällt, kann es auf diese Weise zu wiederholten oder geänderten Grundleistungen kommen (vgl. § 10 HOAI).

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Leistungsbestimmung, wonach das im Oktober 2015 auf Mallorca erstellte Videomaterial ausreichend ist, nicht nachträglich revidiert. Einseitig war sie hierzu nicht berechtigt, weil ihr weder durch Gesetz (§§ 631 ff BGB) noch durch den Vertrag mit der Klägerin ein entsprechendes Leistungsänderungsrecht eingeräumt worden ist. Eine einvernehmliche Einigung über einen weiteren Drehtermin auf Mallorca haben die Parteien nicht erzielt, denn die Klägerin war hierzu nur gegen zusätzliche Vergütung bereit, während die Beklagte dies als kostenneutrale “Nachbesserung” gefordert hat (vgl. die Mails zwischen den Parteien im Dezember 2015, Anlage B 1 und 2).

(3) Das von der Klägerin mit dem gedrehten Material erstellte Video ist vertragsgemäß und also abnahmereif.

(a) Dies folgt nicht bereits allein aus dem Umstand, dass die Beklagte die Materialsammlung durch die Dreharbeiten im Wege der Leistungsbestimmung genehmigt hat. Dadurch ist das Leistungssoll des Vertrages nur hinsichtlich dieser Vorstufe der Werkleistung fixiert.

Hinsichtlich der Verarbeitung des Bildmaterials auf der nächsten Stufe stand der Klägerin wie dargelegt erneut ein Leistungsbestimmungsrecht zu. Auf dieser Stufe war die Klägerin durchaus berechtigt, der Klägerin Vorgaben für die Verarbeitung des Videomaterials zu machen. Beispielsweise hätte sie grundsätzlich - vorbehaltlich eines eventuellen künstlerischen Gestaltungsspielraums der Klägerin - fordern können,

- eine bestimmte aufgenommene Sequenz, die von der Klägerin mit zwei Sekunden Dauer in das Video aufgenommen wurde, mindestens zehn Sekunden zu zeigen,

- eine andere Sequenz zu entfernen,

- die Reihenfolge mehrerer Sequenzen zu ändern oder

- eine andere Musik zur Untermalung zu verwenden.

Die Verwendung von gar nicht gedrehten Videosequenzen konnte die Beklagte aber grundsätzlich nicht mehr einfordern, es sei denn, sie hätte erst jetzt erkennen können, dass das vorhandene Material unzureichend ist - zum Beispiel weil die Models wegen der angeblich grassierenden Seekrankheit unentspannt wirken, was in dem Imagevideo einer Yachtvermietung natürlich nicht günstig ist.

(b) In jedem Fall muss die Beklagte aber konkret vortragen, in welcher Hinsicht genau sie ihr Leistungsbestimmungsrecht für das Endprodukt ausgeübt hat und welche Vorgaben die Klägerin nicht erfüllt hat (vgl. OLG Köln, Urteil vom 14. November 2018, 11 U 71/18, Rz. 48 ff).

Das ist nicht geschehen. Vielmehr verweist die Beklagte durchgängig immer nur darauf, dass das Video “überwiegend Personen in verschiedenen Situationen”, nicht aber die “Designelemente der Yachten” zeige (vgl. z.B. Anlage B 1). Das ist so aber nicht richtig. Der Senat hat das Video im Termin mit den Parteien angeschaut, die Beklagte verwendet es nach wie vor auf ihrer Webseite, wo es abgerufen werden konnte. Dieses Video setzt sich ganz überwiegend aus musikalisch unterlegten Bildszenen zusammen, die entweder das Boot in der Totale oder einzelne Situationen an Bord zeigen, auf denen durchaus auch Details des Boots erkennbar sind. Aus Sicht des Senats ist das Video professionell erstellt und als Imagevideo brauchbar. Natürlich ist der von der Klägerin gewählte Zusammenschnitt nicht alternativlos, die technischen Eigenschaften des Bootes hätten durchaus auch noch mehr in den Vordergrund gerückt werden können. Wenn die Beklagte dieses Werk aber so nicht abnehmen will, dann muss sie konkret angeben, was geändert werden soll und welche Filmsequenz - die bereits gedreht sein muss! - ggf. noch Verwendung finden soll.

Daran fehlt es. Vielmehr hat sich die Klägerin auf allgemeine Kritik beschränkt, die nicht hinreichend bestimmt war (vgl. OLG Köln, Urteil vom 14. November 2018, 11 U 71/18, Rz. 53).

ee) Es ist unstreitig, dass der somit fällige Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem streitgegenständlichen Vertrag noch in Höhe von 29.551,57 € offen ist.

b) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 2 BGB.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

5. Den nicht nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten vom 27. Februar 2019 hat der Senat bei dieser Entscheidung berücksichtigt, dies führt nicht zu einer Änderung der Sach- oder Rechtslage.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Böse betreut Influencer außergerichtlich und gerichtlich in den Bereichen des Wettbewerbs- Urheber- und Presserechts.

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