HOAI - Abmahnungen werden nachträglich unberechtigt, Wettbewerbsverfahren können rückabgewickelt werden.

Geld zurück für Architekten – die HOAI ist tot

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 4. Juli 2019 in der Sache C-377/17 das Preisgefüge im Markt für Architektenleistungen in Deutschland auf den Kopf gestellt: Die Honorarsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), die immerhin gut 42 Jahre (und 18 Tage weniger als der Autor) auf dem Buckel hatten, sind Geschichte.

von Rechtsanwalt Christian Franz, LL.M.

Alter Streit in neuen Schläuchen - es gibt Geld zurück

Das hat allerdings nicht nur (absehbar sehr deutliche) Auswirkungen auf den Markt für Architektenleistungen, sondern auch für bereits seit längerem abgeschlossene Streitigkeiten. Streitanfällig nämlich war die HOAI schon immer. Insbesondere das Verbot der Unterschreitung der Mindestsätze in § 7 HOAI war häufiger Anlass für Streit zwischen konkurrierenden Architektenbüros, weil einer der Beteiligten in der Unterschreitung der Sätze einen unfairen Wettbewerbsvorteil sah. Die Gerichte gaben derartigen Begehren auf breiter Linie recht, weil die eine so genannte Marktverhaltensregel sei, weshalb sie bei deren Verletzung einem Konkurrenten Unterlassungsansprüche, aber auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zubilligten (siehe etwa BGH, Urt. v. 15.05.2003, I ZR 292/00, GRUR 2003, 969 ff.).


Solche Streitigkeiten können nach dem Urteil des europäischen Gerichtshofs nun mit guten Erfolgsaussichten und vor allem umgekehrten Vorzeichen erneut in Angriff genommen und negative Folgen rückabgewickelt werden.

Im Fall einer außergerichtlichen Erledigung, insbesondere durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung von Abmahnkosten, aber auch bei bereits gezahlten Vertragsstrafen nach einer abgegebenen Unterlassungserklärung, ist das verhältnismäßig einfach. Insoweit bestehen Rückforderungsansprüche, deren Verjährungsfrist bislang nicht zu laufen begonnen hatte, weil der Verkehr nicht damit rechnen musste, dass die HOAI sich als europarechtswidrig und damit unwirksam erweist.

Verjährung ist kein Problem

Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nämlich erst zu laufen, wenn ein Gläubiger von anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt – und das ist nicht der Fall, wenn er nur deshalb nicht von einem Anspruch ausgeht, weil es gefestigte Rechtsprechung gibt, die seinem Anspruch entgegenstünde und die sich später als unzutreffend herausgestellt (siehe BGH, Urt. v. 28.10.2014, XI ZR 348/13). So liegt der Fall hier, sodass die geleisteten Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden können.


Eile ist trotzdem geboten: Es ist umstritten, ob auf einen solchen Rückforderungsanspruch nicht möglicherweise eine kürzere Verjährungsfrist anwendbar ist, weil es sich um Ansprüche aus dem Wettbewerbsrecht handelt, die einer Verjährung von lediglich sechs Monaten unterliegen. Auch hier kann allerdings, wenn man schnell handelt, ein Verjährungseintritt in den meisten Fällen noch verhindert werden.

Doch auch wenn bereits ein Urteil in der Welt ist, steht ein machtvolles Instrumentarium zur Verfügung, um eingetretene Schäden jedenfalls nachträglich wieder auszugleichen.

Was man tun kann - oder besser: tun sollte

Insoweit kommen eine Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO (hierzu BGH, Urt. v. 14.03.2008, V ZR 16/07, NJW 2008, 1446) ebenso in Betracht wie eine auf wiederum ungerechtfertigte Bereicherung gestützte Klage auf Herausgabe des Titels.

Auch hier gilt: Das Recht hilft den Hellen und den Schnellen. Wer kein Interesse an der grundsätzlichen Klärung komplizierter Rechtsfragen im wettbewerbsrechtlichen Verjährungsbereich hat, spart sich viel Zeit und Geld, wenn er schnell vorgeht.


Und was soll man tun, wenn man selbst entsprechende Ansprüche gegen Dritte durchgesetzt hat? Da bleiben eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder man drückt sich selbst kräftig die Daumen und setzt darauf, dass der Schuldner den alten Streit längst vergessen hat – oder man wird proaktiv tätig und gibt Titel oder Unterlassungsverträge von sich aus heraus. Welches Vorgehen im Einzelfall das wirtschaftlich sinnvollste ist, muss individuell beurteilt werden.

Hierbei, aber insbesondere auch bei der Rückforderung geleisteter Zahlungen, helfen wir Ihnen gern weiter. Nähere Informationen finden Sie unter www.franz.de.